Je ne m’en souviens plus (mais ce n’est pas vrai) (2003)

Mit einer Frau/einem Mann, in einem Raum/an einem Ort.
Mit einer Frau/einem Mann, in einem Raum/an einem Ort.
Ein bisschen zu nahe kommen und fragen, ob man ein bisschen zu nahe kommt.
Näher kommen und nichts sagen, nicht mehr fragen, ob man zu nahe kommt,
und noch ein bisschen näher kommen.
es einfach machen.

Je m'en souviens plus...

Premiere 14. Oktober 03, Fabriktheater Rote Fabrik, Zürich
Koproduktion Fabriktheater Rote Fabrik Zürich
Mit Tom Baert, Matthias Fankhauser, Ursula Ledergerber, Doro Müggler Text Andri Beyeler Choreographie Tina Beyeler Regie David Bösch Auge von Aussen Petra Fischer Technik Regina Meier

Je m'en souviens plus...

Ein Paar, erinnert sich, wie es gewesen ist, als sie auf einer ihrer letzten gemeinsamen Fahrt auf einem der letzten Züge des Tages unterwegs waren.
Wenn sie nicht gerade aneinander vorbei sprachen, schwiegen sie. Sie schaut zum Fenster raus. Er wünschte sich weit fort. Sie zählte die Dörfer, durch die sie fuhren, war froh, da nicht zu wohnen. Er sinnierte über eine Trinkgemeinschaft mit dem Minibarmann, der nicht vorbei kam. Sie fragte sich, wer um diese Zeit sonst noch unterwegs ist, wohin und warum. Er hoffte auf einen Aufstand der Mitreisenden, die nicht im geringsten an einen Aufstand dachten.
Ein Paar, erinnert sich – eine jede, ein jeder für sich –, wie es gewesen ist, als sie auf einer ihrer letzten gemeinsamen Fahrt auf einem der letzten Züge des Tages unterwegs waren.
Sie erinnern sich, wie sie sich erinnerten.
Das Thema, welches den Erinnerungen zugrunde liegt – und somit dem Stück –, ist die Grenzüberschreitung und hierbei insbesondere körperliche Grenzüberschreitung. Zum einen ist die körperliche Grenzüberschreitung in Bezug auf ein Gegenüber gemeint, sexuelle Gewalt in so genannten Liebesbeziehungen. Das Stück geht davon aus, dass die in der Gesellschaft produzierte Gewalt in der kleinstmöglichen Form von Gesellschaft reproduziert wird. Zum anderen ist die körperliche Grenzüberschreitung in Bezug auf sich selber gemeint. Es geht um Körper als die erste und unmittelbarste Protestfläche, die man hat, und somit um den – wie auch immer gearteten – Umgang mit Körper als einen Akt der Selbstbestimmung.
«je ne m’en souviens plus (mais ce n’est pas vrai)» ging der Produktion souviens preview voraus. Bei «souviens preview» handelt es sich allerdings nicht lediglich um eine Vor-Skizze, vielmehr ist es eine eigenständige Auseinandersetzung mit demselben Thema mit einem dementsprechend eigenständigen Zugriff darauf.

Je m'en souviens plus...

Mannheimer Morgen, 17.11.2003
„Im «Studio» gab es Wunderbares zu sehen. […] In einem Mix aus Musik, Sprechen, Gesang und Tanz erzählen die Künstler von einem Paar, das sich während einer Bahnreise in einem Zugabteil zu verlieren scheint (Matthias Müller).“

Schaffhauser AZ, 30.10.2003
„Auch in «Je ne me souviens plus (mais ce n’est pas vrai)» gelingt die für Kumpane typische Verschränkung von Schauspiel, Tanz und Text. […] Der fragile und zugleich gewaltsame Tanz des Paares besticht durch seine präzise Choreografie. Liebkosung oder Verletzung? […] Die Choreografie setzt um, wofür dem Paar die Worte fehlen und zeigt, wie es unter der Oberfläche gärt. Dem explosiven Tanzkampf stehen mit Humor gespickte, scharfzüngige Textpassagen gegenüber. Doch gerade die Eloquenz der beiden, die sich eigentlich nichts mehr zu sagen haben, wirkt oft trostloser als die physisch ausgetragenen Kämpfe (Elisabeth Hasler).“

Schaffhauser Nachrichten, 30.10.2003
„Die Umsetzung eines bereits verlorenen Kampfes um eine Beziehung ist der Gruppe «Kumpane» auf eindrückliche, berührende und vielleicht auch etwas beklemmende Art gelungen. Das Publikum zeigte sich am Ende begeistert. Die Gruppe hat wieder Themen bearbeitet, die Menschen in ihrem Alltag begleiten, und hat somit den starken Bezug zur Realität, der ihre Stücke auszeichnet, beibehalten (Yasemin Cevik,).“

Neue Zürcher Zeitung, 13.10.2003
„Andri Beyelers schweizerdeutscher Text ist knapp und dicht, in literarischer, spielerischer Sprache. Verblüffend die scheinbare Natürlichkeit und die ungewohnten, einst geläufigen Wendungen, die nun auf der Bühne in ihrer gleichzeitigen Vertrautheit und Fremdheit fast unheimlich wirken. Der Text bleibt – auch durch die zurückhaltende Interpretation der Sprecher – vordergründig leicht, changiert zwischen latenter Brutalität und leiser Komik. In den Tanz- oder besser Kampfszenen bricht die Aggression offen auf. Tom Baert und Ursula Ledergerber führen unerbittliche Machtkämpfe, werfen sich in Siegerposen. Das Spiel ist hinterhältig, die Regeln sind unklar, die Stimmung kippt ständig. […] Tina Beyeler hat eine kraftvolle, scharfkantige und immer wieder überraschende Choreografie geschaffen, in der sich die Tänzer nicht schonen. Der Körper bäumt sich auf und kämpft. Auch der Text tastet sich den Körpern entlang, beschreibt eine Kartographie des Körpers und der Verletzlichkeit (Felizitas Ammann).“

Tagesanzeiger, 13.10.2003
„«Je ne m’en souviens plus» der Gruppe Kumpane: sorgfältige Realitätsbeobachtungen, umgesetzt in scharfzüngigen Text und tänzerischen Schlagabtausch. […] Unter der Regie von David Bösch werden die Choreografie von Tina Beyeler und die Texte von Andri Beyeler zu logischen Übersetzungen von Text zu Tanz und Tanz zu Text. […] Andri Beyelers Texte zeichnen sich aus durch feinen Witz und rhythmischen Sprachgebrauch. Überraschend komische Pointen bremsen immer wieder die Tragik. […] Geschmeidig setzen die tanzenden Tom Baert und Ursula Ledergerber den von Tina Beyeler präzis inszenierten Tanzkampf um, stets schwankend zwischen Liebkosung und Verletzung (Mirjam Oertli).“

Züritipp, 9.10.2003
„Während Fumi Matsuda zu den ältesten Tanzschaffenden der Zürcher Tanzszene gehört, ist Tina Beyeler eine der jüngsten Tänzerinnen und Choreografinnen und eine der Begabtesten noch dazu. […] «Wir suchen eine neue Verbindung zwischen Tanz, Theater und Text», erzählt die quirlige Tina Beyeler. Der Bruder schreibt die Texte, sie selber tanzt und choreografiert. Dabei suchen sie nicht nur das Verbindende zwischen den drei Kunstformen, sondern vielmehr deren Eigenständigkeit und pointiertest Ausdruckspotential (Eva Bucher).“

Fotos by Christian Glaus

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